Deutsche Geselschaft für Muskuloskeletale Medizin e.V. – Akademie Boppard

Manuelle Medizin/Chirotherapie – Manuelle Therapie

Fallbeispiel 2

Vorlage zu diesem Fallbericht ist die Dokumentation von Wilma Hönscheid, die uns freundlicherweise genehmigte, diese auf unsere Homepage zu stellen.

Ärztliche  Diagnose/Verordnung
LWS-Syndrom, Gelenkfunktionsstörungen/Blockierungen / 6 x Krankengymnastik, 6 x Fango

Anamnese 
Zweiunddreißigjährige Patientin, Lehrerin (Sport: Joggen und Wasserski) hat Schmerzen mittig im „unteren Rückenbereich“

→ akutes Auftreten nach letztem Wasserski fahren, wurde in Kurve vom Seil nach vorne gerissen → „Knacken im Rücken“ (vor ca. 2 Wochen), seitdem leichte bis deutliche Schmerzen im unteren Rücken (stechend, VAS 3-5), vor allem bei Überkopfbewegungen (z.B. etwas an die Tafel schreiben), besser bei Bewegung (Joggen) und Wärme

Sie nimmt keine Schmerzmittel (möchte keine Medikamente nehmen wenn nicht unbedingt notwendig) und hat keine weiteren bekannten orthopädischen oder internistischen Krankheiten.
Zuhause hat sie keine großen Einschränkungen, versucht die schmerzhaften Bewegungen möglichst zu vermeiden, sich aber trotzdem nicht zu viel zu schonen.

Erster Verdacht (Hypothese):
Konvergenzstörung  LWS/TLÜ, evt. muskuläre Beteiligung

Inspektion - statisch 

von dorsal:
Mehrbelastung des linken Beines ( Standbein) ,Taillendreieck links betont, Beinachsen unauffällig

von lateral:
LWS Lordose abgeflacht, leicht vermehrte BWS Kyphose und verstärkte HWS Lordose

Inspektion dynamisch
- Hip-Drop: bei Standbein rechts leichte Schmerzen LWS-Region
- Tuberrollensitz: Bei Extension leichte Schmerzen LWS-Region
- Tafelschreiben: Schmerzen bei Flexion des Armes

Stand

Aktive Funktionsuntersuchung
– WS-Flexion: Flüssige Bewegung, keine Schmerzangabe
– WS-Extension: Harmonisch und schmerzfrei bis LWS, dann bekannter Schmerz in der LWS auftretend, leichtes
   Ausweichen in Seitneigung nach links
– WS-Latflex re: Bewegung stockend, vermindertes Bewegungsausmaß, Schmerz am Bewegungsende, kein
   Unterschied bei abduzierten oder adduzierten Beinen
– WS-Latflex li: Bewegung flüssig, leichtes, zunehmendes Ziehen auf rechter Seite, kein Unterschied bei
   abduzierten/adduzierten Beinen
– WS-Rotation li: Bewegung stockend und eingeschränkt mit Schmerzangabe am Bewegungsende–
   WS-Rotation re: Bewegung frei, langsam zunehmendes Ziehen
– Kombinationsbewegung Extension/Latflex re/Rotation li: deutlicher Schmerz
– Kombinationsbewegung Extension/Latflex li/Rotation re: Extension etwas unangenehm, ansonsten
   kein Schmerz

Palpation
– Christa Illiaca: kein relevanter Höhenunterschied
– SIPS/SIAS: gleiche Höhe, keine Druckdolenz

Bauchlage

Palpation
– Tonus: paravertebral der LWS ehöht, ca. L2-S1, rechts > links
– Kiblerfalte: rechts schlechter abhebbar
– Diagnostischer Strich: Gewebsverhärtung beidseits LWS
– Sulcustiefe: kein Unterschied

Passive Segmentale Unertsuchung
– Seitlage links, segmentale Untersuchung der Extension: Bewegung ist zwischen L2/L3 eingeschränkt,
   Endgefühl fest
– Seitlage links, segmentale Untersuchung der rechten Seitneigung: Beweglichkeit vermindert,
   Endgefühl L2/L3 fest, leichte Verbesserung nach PIR
– Seitlage rechts, segmentale Untersuchung Ext/Seitneigung rechts (Wirbel rotiert bei Latflex re>li) /Rot links:
   Beweglichkeit im Segment L2/L3 vermindert, Endgefühl fest, leichte verbesserung nach PIR

Provokationstest 
– Federtest Dornfortsatz: Processi Spinosi L2,L3,L4 sind druckdolent
– Springingtest: L2/L3 sind fest, leichtes Schmerzempfinden der Patientin

Neurologische Tests
– Sensibilität Oberschenkel im Seitenvergleich: o.B.
– Pro Knee Bend aus Bauchlage: o.B.

Funktionsbefund
– Einschränkung der Extension, Lateralflexion rechts und Rotation nach links Höhe L2/L3
– Tonuserhöhung paravertebral LWS, rechts etwas mehr als links

Aktuelle Arbeitshypothese
– Konvergenzstörung L2/L3 rechts, reflektorische Tonuserhöhung paravertebral

Therapieziele

Therapieziel der Patientin:
– Behebung der Schmerzen
– Wieder normal an Tafel schreiben können

Therapieziel der Therapeutin: 
– Verbessern der Konvergenz rechts Höhe L2/L3
– Tonusregualtion paravertebral LWS, vor allem Höhe der Störung
– Aufstellen eines Eigenübungsprogrammes zur Mobilisation & Stabilisation der betroffenen LWS-Segmente

Befundbezogene Therapieplanung und -verlauf

1. Behandlungseinheit:

  • Anamnese und Befundung
  • Bauchlage: unspezifische Quermassage der oberflächlichen Rückenstrecker
  • Rückenlage: globale, dreidimensionale Traktion der LWS, Entlastung des Intervertebralraumes
  • Fango als durchblutungsförderne Massnahme

2. Behandlungseinheit:     
Patientin gibt leichte Besserung an „Schmerz ist weniger aber immer noch bei den gleichen Bewegungen“ 

  • Zunächst: Fango zur Verbesserung der Durchblutung der Muskulatur
  • Bauchlage: vorbereitende Muskeltechniken (zunächst Quermassage, dann Querdehnung)
  • Seitlage links: dreidimensionale Traktion der LWS, Entlastung des Intervertebralraumes
  • Seitlage links: Segmentale Mobilisation (Klafftechnik) für die Segmente L2/L3 rechts
  • Erlernen der Automobilisation der oberen LWS aus Bauchlage

3. Behandlungseinheit:         
Die Patientin hat Übungen gemacht, weitere Besserung der Beschwerden, „kann mich schon besser drehen“, Schmerz tritt erst deutlich später und dezenter bei Bewegung auf  

  • Vorbereitende Muskeltechniken (siehe oben)
  • Wiederholung/Überprüfung der Automobilisation
  • Seitlage links: Segmentale Mobilisation (Klafftechnik) für die Segmente L2/L3 rechts
  • Globale Mobilisation der oberen LWS-Segmente auf Pezziball: „Seeigel/Goldfisch“ nach Klein-Vogelback
  • Stabilisation der LWS durch Beckenpattern- PNF

Weitere Verlaufsplanung:
Abhängig von Befund und Angabe der Patientin → weitere detonisierende Maßnahmen der paravertebralen Muskulatur, Klafftechnik sofern Jointplay weiter eigeschränkt ist, darüber hinaus Erlernen weiterer Eigenübungen zur Mobilisation und Stabilisation der unteren LWS, möglichst funktionell und alltagstauglich (z.B. Automobilisation BWS/LWS aus SL oder 4Füßlerstand)